Brief von Alexandra Ickes an Karl-Heinz Lieber, UM72-8853-6/5/3, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
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Stellungnahme zur Allgemeinverfügung eines Saatkrähenmanagements
Sehr geehrter Herr Lieber,
in Ihrem Schreiben vom 19.02.2025 bewerben Sie eine Allgemeinverfügung für ein Saatkrähen-Management zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden im Land.
Der NABU Landesverband Baden-Württemberg lehnt ein solches Management und ein solches Vorgehen ab.
Wir begründen unsere Ablehnung wie folgt:
Eine landesweite Bewerbung für eine Allgemeinverfügung zur letalen Entnahme einer geschützten Vogelart ist kritisch zu hinterfragen, da dies zu einem landesweiten Management gegen Saatkrähen in
der Agrarlandschaft führen kann. Ein solches systematisches Management ist allein schon rechtlich nicht möglich, da die Saatkrähe einen besonderen Schutzstatus genießt und im Gegensatz zur
Rabenkrähe nach der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht zu den in Deutschland jagdbaren Arten gehört.
Vergrämungsabschüsse von Saatkrähen bedürfen einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Absatz 7 BNatSchG. Diese Genehmigungen werden von den zuständigen Naturschutzbehörden, wie
der Name „Ausnahme“ schon vermuten lässt, für Einzelfälle erteilt, wobei die konkrete Situation vor Ort berücksichtigt wird. Eine Allgemeinverfügung widerspricht dem bereits im Grundsatz.
Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg hat sich zwar im Bundesrat für eine Herabstufung des Schutzstatus der Saatkrähe
eingesetzt, um eine Bejagung zu ermöglichen. Dieser Antrag wurde jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der Abschuss der Saatkrähe in der Agrarlandschaft führte bereits historisch dazu, dass sich die Saatkrähe vermehrt im Siedlungsraum angesiedelt hat, da dort das Nahrungsangebot ausreichend ist
und sie in städtischen Gebieten sichere Brutplätze gefunden haben. Die Reproduktionsrate erhöht sich dabei. Jedoch führen Saatkrähen-Kolonien im Siedlungsbereich zu einer Vielzahl an anderen
Konfliktfeldern, die nur langfristig und nachhaltig gelöst werden können, wenn geeignete und ungestörte Ausweichhabitate in der Agrarlandschaft geschaffen werden1.
Saatkrähen sind Allesfresser. Die Nahrung besteht jedoch hauptsächlich aus Würmern, Schnecken, Insekten (überwiegend Käfern) und Pflanzenteilen. Mäuse werden gerne erbeutet und können sogar die
Hauptnahrung ausmachen, während Obst und Beeren in einem sehr geringen Maße gefressen werden2. Auch wenn sie punktuell Schaden in landwirtschaftlichen Kulturen anrichten, so sind sie dennoch als
landwirtschaftliche Nützlinge anzusehen, da sie effektiv Massenvermehrungen von Mäusen und Schad-Insekten verhindern. Gewölluntersuchungen in der Nähe von Heidelberg konnten beispielsweise
nachweisen, dass 4.000 Saatkrähen in einem Winter mehr als 35.000 Mäuse erbeutetet hatten3. In den 70er Jahren waren die Saatkrähe durch Verfolgung fast ausgerottet und pendeln sich erst seit
wenigen Jahren auf ein normales Bestandsniveau ein. Die Art wurde noch 1996 in der Vorwarnliste geführt. Sie kommen schwerpunktmäßig am Oberrhein und in Oberschwaben vor, in anderen Landesteilen
Baden-Württembergs sind sie eher selten. Daher ist ein Monitoring durch Zählung und Schätzung der Individuen über Jahre hinweg durchzuführen, um konkrete Bestandszahlen zu ermitteln.
Die Einrichtung einer Meldeplattform, in der jede landwirtschaftlich tätige Person einen potenziellen von Saatkrähen verursachten Schaden angeben kann, ist nicht zielführend, da die Angaben nicht
geprüft werden und dadurch nicht nachvollziehbar sind. Eine Korrelation ist nicht mit einer Kausalität gleichzusetzen! Ernsthafte wirtschaftliche Schäden können auch aufgrund anderer
Zusammenhänge wie Wetterereignisse, Pflanzenkrankheiten, Bodenqualität oder aber Nagetiere bzw. Insekten auftreten.
Der Abschuss auf Rabenvögel ist für jagdausübungsberechtigte Personen nicht trivial. Oft sind hierzu tiefergreifende Kenntnisse der Arten sowie eine saubere Artbestimmung im Gelände notwendig, um
Verwechslungen mit anderen Vogelarten in gemischten Schwärmen zu vermeiden. Aus Erfahrung wissen wir, dass dieses Wissen nicht allen jagenden Personen zugrunde liegt.
Zielführender wäre die landesweite Bewerbung nicht-letaler und damit milderer Vergrämungs-Methoden gewesen, sowie die Ausweisung von Gebieten als geschützte Landschaftsbestandteile gemäß § 29
Abs. 1 BNatSchG in denen Saatkrähen-Kolonien gesichert und gefördert werden, um eine Verlagerung in Siedlungsgebiete zu vermeiden.
Wir verweisen auf folgenden Methoden-Katalog:
a) Technische Abwehrmethoden
Schreckschuss-Apparate, Leuchtraketen, gasgefüllte Luftballons, Rotationsbälle, Vogelscheuchen, Krähen-Attrappen, Flatterband, CDs. Diese Maßnahmen sollten jedoch
wegen des Gewöhnungseffektes nur kurz (während der Keimzeit), gezielt und abwechselnd eingesetzt werden.
Wertvolle Saaten und Beeren lassen sich auch durch Überziehen von Fäden (in Reihen von 2 m Abstand und 25 cm Höhe) durch einen Draht bespannen. Auch das Auflegen von Dornenreisig schützen.
Daneben kann Vlies die frühe Saat im Gemüseanbau schützen.
Darüber hinaus gibt es auch in der Praxis als erfolgreich beschriebene Greifvogelattrappen, sogenannte „Falkendrachen“, welche wie ein Lenkdrachen an langen Kunststoffruten hängend aufgestellt
werden und durch ihre Bewegung im Wind „lebendig“ und somit für Saatkrähen erfolgreich abschreckend wirken.
b) Natürliche Abwehrmaßnahmen
Wiesen bieten Saatkrähen gute Nahrungshabitate. Dort wo keine artenreichen Wiesen mehr vorhanden sind, weichen Krähen auf Ackerflächen aus. Die Anlage von Hecken und Büschen wirken sich negativ
auf die Nahrungshabitate der Saatkrähen aus, da Saatkrähen übersichtliches Gelände bevorzugen. Zudem steigt das Angebot an Deckungs- und Jagdmöglichkeiten für die natürlichen Fressfeinde der
Saatkrähe. Eine hohe Randvegetation um Felder (hoch gewachsene Feldraine), können ebenfalls negativen Effekte auf Saatkrähen besitzen.
Erfolge können auch mit schwarzen Federn, die als Schwanz- oder Flügelfedern kreisförmig an mehreren Stellen im Feld platziert und im Innenbereich zusätzlich mit Konturfedern ausgestattet werden,
erzielt werden. Das symbolisiert Habichtrupfungen, die die Saatkrähen meiden4. Statt Saatkrähenfedern kann man auch schwarze Hühnerfedern nehmen oder Federn einfärben.
c) Ablenkungsfütterung
Ablenkungsfütterungen müssen auf offenen, überschaubaren Flächen und nicht in Feldnähe angelegt werden und das angebotene Futter muss in Qualität, Quantität und Zugänglichkeit die zu schützenden
Felder übertreffen. Als sehr günstig haben sich mistgedüngte oder frisch gemähte Wiesen erwiesen, die sich in einiger Entfernung vom frisch eingesäten Feld befinden. Eine weitere Methode ist die
Einsaat von Erbsen in geringer Tiefe in einem Feld-Streifen.
d) Aussaat
Experimente mit Chili-Eukalyptus-Beize zeigten vielversprechende Ergebnisse (100 ml Eukaplytusöl, 100 g Chilipulver und Cola oder Zuckerlösung als Träger)5.
Saatgut möglichst tief einsäen, besonders Mais. Wirksam sind 8 cm Saattiefe und anschließendes Walzen. Bodenbearbeitung macht Krähen neugierig und lockt sie an. Deshalb nach Vorbereitungsarbeiten
erst nach ein oder zwei Tagen Pause einsäen und nicht unmittelbar nach dem Pflügen und Eggen. Aussaatzeitpunkt günstig wählen und eher spät aussäen, um die Dauer des Keimens bis zum Auflaufen
möglichst kurz zu halten. Über der kritischen Pflanzengröße von 10 bis 15 Zentimetern richten Krähen keine Schäden mehr an. Saubere Saat ist wichtig: an der Erdoberfläche sollten keine Körner
oder Samen liegenbleiben.Kalkstickstoff-Düngung vergrämt Krähen. Der Anbau von anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Gerste als Sommergetreide anstatt Mais ist ebenfalls in Betracht zu
ziehen. Bei der Aussaat den optimalen Termin wählen und größere Flächenverbünde nutzen statt kleiner Einzelflächen.
e) Feldbestellung
Möglichst alle umliegenden Felder sollten zum selben Zeitpunkt bestellt werden. Eine hohe Randvegetation mit Bewuchs über 15 cm Höhe hält Krähen ab. Bei auflaufendem Mais sollten keine
verlockenden Maßnahmen wie Düngung mit Mist, Mähen oder Umbrechen in der nahen Umgebung stattfinden.
Der Schadensdruck kann je nach Witterungslage und alternativem Futterangebot sehr niedrig bis sehr hoch sein. Auch aus diesem Grund ist fraglich, ob tatsächlich eine letale Vergrämung angewendet
werden muss, wenn der Schaden im kommenden Jahr möglicherweise viel geringer ausfällt und insbesondere durch Anwendung anderer Vergrämungsmethoden vermieden oder stark verringert werden
kann.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass Vergrämungsabschüsse einen dauerhaften Effekt haben, da die Nahrungshabitate durch andere Artgenossen neu besetzt werden können, so dass sich die Problematik
nicht langfristig gelöst werden kann!
Erschwerend hinzu kommt, dass bei einem Abschuss innerhalb der Brutzeit fütternde Altvögel betroffen sein könnten. Bei Saatkrähen bebrütet das Weibchen das Nest und hudert die Jungtiere. In
dieser Zeit findet die Nahrungsaufnahme durch das Männchen statt, welches Futter für das Weibchen und die Jungtiere heranschafft. Erst ab dem ca. 15. Nestlingstag geht das Weibchen zunehmend mehr
auf Nahrungssuche und beteiligt sich dann an der Jungtierversorgung mit Futter6. Die Jungen werden nach dem Verlassen des Nestes noch etwa sechs Wochen geführt und gefüttert7. Vereinzelt können
sie bis Juli/August Fütterung in Anspruch nehmen.8 Bereits bei Wegfall eines einzelnen Elternteils kann die Versorgung der Jungvögel nicht mehr gewährleistet werden. Ein leidvoller Tod von
Jungtieren wird in Kauf genommen. Eine Allgemeinverfügung führt daher zu einem erhöhten Risiko des Verlustes von fütternden Altvögeln und damit Gefährdung von Jungkrähen im Nest, wenn die
Brutzeiten nicht beachtet werden. Die Abschüsse dürfen jedoch nicht zu einer Bestandsreduktion führen.
Es muss allen Beteiligten deutlich gemacht werden, dass es kaum möglich sein wird, Schäden vollständig zu vermeiden. Eine Kombination verschiedenerer nicht-letaler Maßnahmen im Rahmen eines
integrierten Pflanzenschutzes kann die Schadenshöhe allerdings deutlich reduzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Alexandra Ickes
Referentin für Artenschutz
Referenzen:
3. LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BW, INSTITUT FÜR ÖKOLOGIE UND NATURSCHUTZ (1986). Die Saatkrähe in der Kulturlandschaft. Arbeitsblatt Naturschutz (4). S. 2
4. Schweizer Bauer (2011). Man muss listiger als die Krähen vorgehen. SB_Kraehenabwehr_2011-04-02.pdf (Abgerufen am 12.03.2025).
5. BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT, LFU BAYERN (2023). 3. Zwischenbericht zum Landtagsbeschluss „Projekt zum Management von Saatkrähen“. S. 44
6. GLUTZ VON BLOTZHEIM (2001). Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 13-III. S. 1842
7. RESKAFT, E., Y. ESPMARK & T. JÄRVI (1983). Reproductive effort and breeding success in relation to age by the Rook. Ornis Scand. 14. S. 169-174
8. Z. B. GARLING (1942 UND 1944). Beitr. FortPflBiol. Vögel 18, 1942 und 20, 1944